Eine Biografie

 

'''Kaspar Born''' (eigentlich Michael Köhler, * vermutlich [[1953]]; seit [[15. April 1989]] vermisst) war ein deutscher Schriftsteller, Mystiker und Postkartensammler.


== Leben ==


Kaspar Born wuchs in einem evangelischen Waisenheim für Knaben nahe Hannover auf. Obwohl er im Alter von ca. 3 Jahren anonym abgegeben wird, nimmt man an, dass er als Sohn eines britischen Matrosen geboren wurde: Während fast seiner gesamten Kindheit und Jugend erhält er Postkarten seines unbekannt bleibenden Vaters, die dies belegen. Die Suche nach der eigenen Herkunft und Identität prägt Borns gesamtes Leben und Werk und klärt sich Zeitlebens nicht auf. Nach dem unvermittelten Abbruch einer Lehre zum Setzer im Jahr 1968 schließt er sich einer Gruppe von Aussteigern an, beginnt exzessiv Postkarten zu sammeln und zu schreiben. Es folgen Jahre der Wanderschaft im süddeutschen Raum sowie ausgedehnte Reisen in die Schweiz, nach Griechenland und England. Bis auf vereinzelt erhaltene Briefwechsel ist über diese Zeit wenig bekannt. Jedoch entstanden hier alle seiner Schriften. Erst kurz vor seinem Verschwinden im Jahr 1988 zieht er nach Berlin, wo sich seine Spur verliert. Es gibt Hinweise darauf, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss im Teltowkanal ertrunken ist, wo er zwei Tage später geborgen wurde, oder mit neuer Identität in die DDR übersiedelte.<ref> vgl. „Die Todesopfer an der Berliner Mauer“ 1961–1989 Ein biographisches Handbuch der ZpB, November 2009 von Hans-Herrmann Hertle und Maria Nooke, S. 494/5</ref>

 

== Biografie aus Postkarten ==

 

Die Born-Forschung steht vor der besonderen Herausforderung, dass alle Details über seine Herkunft einzig aus den Postkarten (insgesamt wahrscheinlich 13) seines anonymen Vaters bekannt sind. Die Postkarten selbst wiederum sind - bis auf die letzte Postkarte Nr. 13, gestempelt im Jahr 1968 - aber nicht mehr erhalten. Zugang haben wir lediglich über die 18 Textfragmente im Nachlass Borns, die wie ein weiterer Filter wirken, sowie ein erst spät aufgefundener Brief. Der Wahrheitsgehalt ist daher nicht unumstritten. Nichtsdestotrotz werden einige Eckdaten vielfach als korrekt angenommen (vgl. Herkens). So war Borns Vater wohl ein britischer Matrose, der bei einem Landgang seine Frau kennen gelernt und sich mit ihr am selben Tag verlobte (Fragment Nr. 2 und 10). Bereits kurze Zeit später, vor seiner erneuten Abreise, überredet der junge Mann seine Verlobte zur Hochzeit, die ohne Zustimmung der Eltern vollzogen wird (Fragment Nr. 2). Besonders die Eltern von Borns Vater, offenbar eine alte britische Adelsfamilie, sind gegen die Hochzeit (Fragment Nr. 16). Wir wissen, dass Borns Mutter schnell schwanger wurde. Das Kind wurde mit ca. 3 Jahren anonym im Waisenhaus abgegeben (Fragment Nr. 16). Ob der Geburtsname des Kindes, Michael Köhler, stimmt ist ungewiss. Der Name stand auf einer Karte, die dem Kind an das linke Bein gebunden war (Fragment 1). Es scheint, als habe Born zusätzlich zu den Postkarten später auch eine relativ große Menge Geld von seinem Vater bekommen, so dass er Zeitlebens nicht arbeiten musste und sich dem Reisen widmen konnte (Postkarte Nr. 13). Möglicherweise ist dies der Grund für den Abbruch seiner Lehre. Zwischen den Jahren 1970 und 1987/88 wurden Postkarten für Born auch in ganz anderer Form zur Obsession: In fast exzessiver Form sammelte er auf Flohmärkten und in Antiquariaten beschriebene Postkarten (v.a. Fragmente 3 und 9). Die Geschichten dieser Karten – von Urlaubsgrüßen bis Liebenachrichten – werden vielfach zur Grundlage seiner eigenen Texte und damit vielleicht auch seiner eigenen Biografie ("]...] drum sei mein Leben das gesammelte Leben der gelebten Leben ohne eigenes Leben." (Fragment 3).  

 

== Der Name Kaspar Born ==

 

Bereits das Textfragment Nr. 1 ist mit dem Künstlernamen Kaspar Born unterschrieben. Obgleich es keine definitiven Belege gibt, gilt sein Ursprung als geklärt. So ist Kaspar eine Anspielung auf die Figur des Kaspar Hauser, dessen Schicksal Born sich immer sehr nah gefühlt hat (vgl. Fragment Nr. 1 und 12). Der Name Born stammt von der letzten Postkarte seines Vaters (Nr. 13), die er vermutlich kurz vor Abbruch seiner Lehre erhielt und die sehr viele biografische Informationen enthält. Vom Inhalt der Postkarte wissen wir auch aus Textfragment Nr. 16 (Poschmann: „[…] es bleibt ein Rätsel für die Born-Forschung, warum er in früheren Textfragmenten dieses Schreiben nicht aufgreift […]“). Textfragment Nr. 16 endet mit den (mutmaßlichen) Worten seines Vaters: „[...] you are of my own flesh and blood and as my son you were born.” Born ist somit das letzte Wort, das er von seinem Vater erhalten hat, und damit letzte Stück Verbindung zu seiner Herkunft, aber als englisches Wort für „geboren“ eben auch der Anfangspunkt seines Lebens – die existenzielle Klammer, die in Borns Texten so wichtig wird.

 

== Texte und Interpretationen ==

 

Im Zentrum von Borns literarischem Schaffen steht die Frage nach Herkunft, Ziel und Leere des Lebens. Das Thema der Leere innerhalb zweier existenzieller Grenzpunkte variiert er mit verschiedenen Motiven. Viele Interpreten sehen eine enge Parallele zu seinem eigenen Leben, das ja auch

„[...] ohne Anfang und Endpunkt verbleibt [...]“ (Herkens). Sein gesamtes Werk bleibt fragmentarisch und ist nur in zusammenhangslosen und unveröffentlichten kurzen Stücken erhalten. Born bewegt sich durchweg zwischen den Gattungen Prosa und Lyrik, wobei der innere Monolog und das Verschwimmen von Realität und Fiktion, Innen- und Außenwelt sowie bewusstem und unterbewusstem Erleben sein Schreiben prägen.

 

=== Leben und Tod ===

 

Bereits in einem Gedicht in dem ersten Textfragment Borns aus dem Jahre 1969 mit dem Titel „Versuch einer unendlichen Schwere“ geht er – wenngleich noch in jugendlichem Duktus - seinem auch späteren Hauptthema nach. So heißt es

 

{{Zitat

| Autor =

|Quelle= K. Born ''[[Fragment 1, Versuch einer unendlichen Schwere]].'' S. 7

| ref =

|[...] meine Hoffnungen heißen Lotto und Genickbruch;<br />

vom Pferd gefallen, ein anderer reitet ins Ziel; <br />

auf dem Boden, die Pfütze, sie spiegelt;<br />

in meinen Händen zerrinnt wie ein Spiel [...]}}

 

Assoziativ gelangt Born vom Begriffspaar Lotto und Toto (Pferdewette) hin zum Wortspiel Toto und Tod. Die beiden deutschen Gewinnspiele, Lotto und Toto, verwendet der junge Aussteiger als Metaphern des Spießertums und eines passiven und abwartenden Lebens, das er verachtet. Lotto und Tod, so schreibt er später in einem Brief, sind die „[...] unwahrscheinlichsten Möglichkeiten, weil sie [Lotto] Fülle im Leben verspricht, aber nicht einlöst, und weil sie [Tod] dem verstrichenen Leben keine Fülle mehr geben könnte. [...] Das Leben zwischen diesen beiden Un-Möglichkeiten verrinnt ohne Sinn.“ (Fragment 14). Sprachlich zeigt sich eine Ähnlichkeit des Gedicht aus Fragment 1 zu einem Kurzgedicht aus Fragment 2, welches jedoch weniger ausgefeilt wirkt:

 

{{Zitat

| Autor =

|Quelle= K. Born ''[[Fragment 2]].''

| ref =

|Meine Kinder heißen Kummer und Sorge,<br />

sie sind mir im Traume geboren,<br />

und wenn ich erwache am nächsten morgen,<br />

sind sie erwachsen geworden.}}

 

=== Gemeinschaft  ===

 

Wenig ist über Borns Verhältnis zu anderen Menschen bekannt. In dem erst in 1997 bei einer verstorbenen Hotelbesitzerin in Thessaloniki entdeckten Textfragment von 1985 wird von einem Briefwechsel aus dem Jahr 1972 mit einer ehemaligen Wegbegleiterin der frühen Jahre zwischen 1968 und 1970 berichtet, indem Born als „[...] Soziopath, so wenig typisch für unsere Hippie-Gruppe [...]“ (Fragment 9) beschrieben wird. Er achte nicht auf sein eigenes Wohl, aber auch nicht auf das anderer. „[...] er ist immer aufs Äußerste bedacht. Oft schon dachte ich, jetzt bricht er sich den Hals. Aber Hilfe erwartet er von niemandem [...]“ (ebd.). Auch bleibe er ohne engere Kontakte – weder zu Mann noch Frau. Das Fragment Nr. 5, auch bekannt unter dem Titel „Herbstgleichnis“ und wahrscheinlich während Borns Aufenthalt in der Schweiz entstanden, beschreibt, wie eine Person in herbstlichem Regenwetter auf dem Weg zu einer anderen Person – vielleicht  Partner oder Geliebte – auf dem Bürgersteig ausrutscht und sich auf dem nassen Steinboden wehtut. Beim Aufstehen in den nassen Kleidern rutscht sie wieder aus und je mehr sie sich bemüht, die Situation in den Griff zu bekommen, desto unangenehmer wird die Situation. Neben dem für Born typischen Motiv des Fallens tritt hier die Komponente, sich im eigenen Leib unwohl zu fühlen auch im Kontext einer Beziehung, hinzu.

 

{{Zitat|[...] Feine Glassplitter in der Pfütze blieben in meinem Wollpullover hängen und stachen bei jeder Bewegung in meine Haut und die kalten, feuchten Kleider klebten und rieben sich an meinen Wunden und mühsam und mit steifen Schritten wollte ich so schnell wie möglich weiter, genau auf halbem Weg zu dir oder zu mir. Doch ich blieb einfach stehen und ließ das nasskalte Herbstwetter in mich eindringen.|Quelle= K. Born ''[[Fragment 5]].''}}

 

Das Ende des Fragments Nr. 6 scheint den Grund für seine Isolation zu kennen:

 

{{Zitat|So liegt ein Zwiespalt zwischen dem eignen Selbst und den Mitmenschen. Bleibe ich ganz bei mir, verleugne ich den anderen; gehe im Leben des Anderen auf, verleugne ich mich selbst.|Quelle= K. Born ''[[Fragment 6]].''}}

 

Born bleibt sozusagen in der unwirtlichen Leere dazwischen (dargestellt als nasskaltes Herbswetter). Zeitlich wird dieser Text in die Griechenland-Phase eingeordnet – also etwa ins Jahr 1982. Dafür spricht auch, dass das Thema Leib in den folgenden Textfragmenten Nr. 7 („[…] fremde Schmerzen spüren müssen wie am eignen Leibe […]“) und Nr. 8 („[…] oh, wenn meine leidenden Füße mich nur wegwandern könnten […]“) weiterhin aufgegriffen wird. Diese beiden Fragmente können durch den späteren Briefwechsel (Fragment 9) klar den Jahren 1982/83 zugeordnet werden. Auch in seinem kürzesten Fragment 17 mit dem Titel „Wiederkunft“ spielt Born mit seinem distanzierten Verhalten zum anderen (oder eigenen?) Geschlecht:

 

{{Zitat|Lange noch stand ich vor deiner Haustür. Doch du warst einfach nicht da.|Quelle= K. Born ''[[Fragment 17, Wiederkunft]].''}}

 

Möglicherweise geht es hier um eine gescheiterte Beziehung Borns (Herkens). Entstanden ist der Text kurz vor dem Umzug nach Berlin. Zweifellos wäre die Kenntnis verlorenen gegangener weiterer Textstellen sehr aufschlussreich für Borns Biografie und gäbe vielleicht auch einen Hinweis auf den Grund seines späteren Verschwindens. In der Bornforschung wird bis auf Ausnahmen (Biografen-Streit) angenommen, dass dabei Liebeskummer eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. Geht man davon aus, dass Fragment 17 Borns vorletzter Text ist (Herkens), spricht viel dafür, dass er ca. 1987 – also in England kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin – geschrieben wurde.

 

=== Ursprung allen Seins ===

 

Von vielen Kritikern wird der letzte und wohl vollständig erhaltene Text Nr. 18 mit dem Titel „Hitze“ als Borns wichtigstes Werk angesehen. Stilistisch erreicht die Vermischung von Prosa und Lyrik, von Innen- und Außenwelt und bewusstem und unbewusstem Erleben ihren Höhepunkt. Äußerlich betrachtet beschreibt der Text die Situation in einer Vorstadt während eines drückend heißen Sommertages. Die Menschen halten sich weitestgehend in den Häusern auf, um der Hitze zu entgehen. Die Dinge außerhalb der Häuser scheinen gleichsam von der Hitze durchdrungen zu Leben erweckt und voneinander schmarotzend. Der Erzähler (ein Mann?) taucht in dieser Szene unvermittelt auf und treibt in einem Strom von Gedanken und Realität.

 

{{Zitat

| Autor =

|Quelle= K. Born ''[[Fragment 18, Hitze]].''

| ref =

|[...]Eine Wolke aus Gewitterfliegen schwirrt engli [sic] um meinen glühenden Kopf. Vielleicht sind sie auch in meinem Kopf und meine Gedanken außerhalb – ich tauche in meinen Gedanken und treibe mit dem Strom der flüssigen Luft. [...]}} 

und

{{Zitat

| Autor =

|Quelle= K. Born ''[[ebenda]].''

| ref =

|[...]nur das Flimmern der Hitze und ein Regen aus Blütenpollen in meinen Augenwinkeln. Metallic schimmernde Autos warten aufgereiht am Straßenrand. In der flüssigen Hitze strecken sie sich wie Korallen zum türkisen Himmel. [...]}}

 

Am Ende der Straße erreicht er schließlich das Haus einer vermeintlichen Freundin, die ihm die Tür öffnet. Er fragt nach ihrem Vater mit der Absicht ihn zu töten.

 

{{Zitat

| Autor =

|Quelle= K. Born ''[[ebenda]].''

| ref =

|[...] Ich klopfe, erst einmal, dann zweimal. Schließlich ein Türspalt, du schaust mich neugierig an. Kleine Freundin, ist dein Vater zu Hause? Schulterzucken. Warum? Siehst du das Messer in meiner Hand – damit werde ich ihn töten. [...]}}

 

Es folgt eine kurze Reflexion, in der der Anfang erneut aufgegriffen und variiert wird („Hochsommernachmittag, die Vorstadt in Trance“), dann endet der Text.

 

In „Hitze“ wird die Sonne als Urheber für Leben und Tod dargestellt, Hitze als Metapher für aktives Leben. Born wendet sich hier einem vitalistischen Weltbild zu (Münster). Die meisten Menschen bleiben zurückgezogen in ihre Häuser und stellen sich dem Leben (Hitze) nicht, bleiben als teilnahmslose Betrachter hinter verschlossenen Türen und heruntergezogenen Jalousien (vgl. Textfragment Nr.1: Lotto als abwartendes und nicht aktives Leben). Dabei wird selbst das Erwachsenwerden zu einem Akt des Tötens (bei Born dargestellt als Mord am Vater der „kleinen Freundin“ mit sexueller Konnotation). In der abschließenden Reflexion heißt es: "[...] Weißt du, wie viel Tod sie [die Sonne] bringt? Sie trägt ihre Schuld um die ganze Welt. [...]" (Fragment 18, Hitze). Eine Anspielung auf das Kinderlied „Weißt du wie viele Sterne stehen?“ – natürlich weiß es nur Gott allein. Leben, Sterben und der Ursprung allen Seins kommen bei Born erstmals zu einer Einheit (Münster).

 

== Rezeption ==

 

Bei kaum einem Schriftsteller vermischt sich Biografie und Werk so stark wie bei Born. Seine vorwiegend pessimistischen Texte werden daher gemeinhin als mystische Selbstanschauungen einer Person in existenzieller Extremsituation interpretiert. Der existenzialistische Ansatz, in solch Grenzerfahrungen einen Zugang zur Substanz des eigentlichen Selbst zu erlangen, wird damit ad absurdum geführt: Das aus dem sozialen Kontext von Geburt, Miteinander und Lebensziel gerissene Individuum verliert sich vielmehr im Nichts und in der Leere – keine Freiheit zur Selbstbestimmung, sondern Auflösung.

 

== Biografen-Streit ==

 

Zwei eigentümliche Textstellen haben die Born-Forschung besonders beschäftigt und zu einem extremen Interpretationsansatz geführt (sogenannter „biografischer Born“). Born verwendet im Textfragment Nr. 18 die seltsamen Wörter „engli“ und „Jealousien“ (statt „Jalousien“). Herkens hat als erster vermutet, dass Born mit den englischen Wörtern "angry" und "jealousy" spielt, die er als Kleinkind im bilingualen Elternhaus aufgeschnappt haben könnte. Ist die blutige Szene in diesem Textfragment vielleicht eine – bewusste oder unbewusste – Verarbeitung einer eigenen frühkindlichen Familientragödie?

 

Herkens weist auf eine Vielzahl ungeklärter Fragen hin, die besonders im Lichte eines – ähnlich dem im Textfragment „Hitze“ dargestellten – Mordfalles, eine neue Bedeutung bekommen, z.B.: 

           

* Wieso wurde Born erst mit drei Jahren im Waisenhaus abgegeben, wenn sein bereits Vater nach der Geburt verschwand?

* Was hat es mit den Geldsendungen auf sich und besteht ein Bezug zum ersten Textfragment, das ja ungefähr zur Zeit der ersten Geldsendung entstanden ist (Lotto, Erfüllung durch Geld etc.)?

* Wieso ist Borns bürgerlicher Nachname (sofern er der Wahrheit entspricht) der sehr deutsche Name „Köhler“, wenn doch sein Vater einem alten englischen Adelsgeschlecht angehört und der Sohn erst nach der Hochzeit – also vermutlich unter dem Namen des Vaters – geboren wurde? Wurden die Rollen von Vater und Mutter etwa nachträglich vertauscht?

* Bezieht sich das Textfragment 17 „Wiederkunft“ wirklich auf Liebeskummer? Spielt er nicht vielmehr mit dem Begriff „Niederkunft“ – also zum Verhältnis zu seiner Mutter? Oder steht dieses Textfragment, das Born in England geschrieben hat, in Verbindung mit seinem anonymen Vater, der ja aus England stammt?

 

Aufgrund der Hypothesenhaftigkeit dieses Interpretationsansatzes ist es in letzter Zeit zu einer Art Gegenbewegung – dem sogenannten „fiktionalen Born“ (Poschmann) – gekommen, der den biografischen Born explizit negiert. Die Worte "engli" und "Jealousien" seien bloße Tippfehler, „[…] der Born, wie wir ihn kennen, lässt sich nicht vom Werk trennen, und auch das Werk nicht vom Autor. Die Frage ist: wer war zuerst da – wir sagen der Text.“ (Poschmann). Aufgrund der lückenhaften Biografie wird nur ein fiktionaler Born postuliert, dessen „[…] faktisches Leben nicht zu beweisen ist und selber nur als Hypertext existiert […]“ (Poschmann). Vielmehr seien die biografischen Texte selbst von den Biografien der von Born gesammelten Postkarten beeinflusst und geprägt, von denen wir allerdings auch nur aus Borns Textfragmenten wüssten. Herkens Einwand "[...] Tippfehler eines gelernten Setzers und sprachlich geradezu pedantischen Autors [sind] wenig überzeugend und sprechen vor allem nicht gegen einen realen, also biografischen Born [...]" begegnet Poschmann auch mit Fragment 3 ("[...] drum sei mein Leben das gesammelte Leben der gelebten Leben ohne eigenes Leben.") als Beleg für den fiktionalen Born. Münster weist darauf hin, dass in dieser Textstelle nur mehr das existenzielle Lebensthema von Born gespiegelt werde, aber die "[...] endgültige Klärung von Borns ontologischen Status weiterer Textkritik [...]" bedürfe.

 

== Textfragmente und Hinterlassenschaft ==

 

'''Postekarte 13 ''' - 1968, Hannover/Deutschland

* einzig erhaltene Postkarte

* biografische Informationen

 

'''Fragment 1 ''' - 1969, Hannover/Deutschland

* Versuch einer undendlichen Schwere

* Hinweise auf Namen

 

'''Fragment 2 ''' - 1968-1970, Süddeutschland

* Borns Vater als Matrose

* Kennenlernen und Hochzeit der Eltern

* Gedicht

 

'''Fragment 3 ''' - 1970, Süddeutschland

* Postkartensammeln

 

'''Fragment 4 ''' - 1975-1977, Schweiz

*  Miniaturen und Studien

 

'''Fragment 5 ''' - 1980, Schweiz

* "Herbstgleichnis"

 

'''Fragment 6 ''' - 1982, Griechenland

* Reflexionen zur Isolation des Individuums

 

'''Fragment 7 ''' - 1982-1983, Griechenland

* Reflexionen zum Leib

 

'''Fragment 8 ''' - 1982-1983, Griechenland

* Reflexionen zum Leib

 

'''Fragment 9 ''' - 1985, Griechenland

* gefunden 1997 bei Hotelbesitzerin in Tessaloniki

* Bezug auf Briefwechsel 1972 mit Weggefährtin aus 1968-1970

* Reflexionen zur Gemeinschaft

* Postkartensammeln

 

'''Fragment 10 ''' - 1985, Griechenland

* Verlobung der Eltern

 

'''Fragment 11 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Kurze Essys

 

'''Fragment 12 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Versuch über Kaspar Hauser

 

'''Fragment 13 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Beobachtungen und Postkarten

 

'''Fragment 14 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Refelxionen zum Sinn des Lebens

 

'''Fragment 15 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Beobachtungen und Postkar

 

'''Fragment 16 ''' - 1985-1987, Griechenland

* Großeltern, Adelsfamilie, Schwangerschaft und Waisenkind

* Hinweis auf Postkarte 13

 

'''Fragment 17 ''' - 1987, England

* "Wiederkunft"

 

'''Fragment 18 ''' - 1987-1989, Berlin/Deutschland

* "Hitze"

 

== Einzelnachweise und Anmerkungen ==

 <references />